Permanentes Wirtschaftswachstum und regelmäßige Zerstörung

Da sämtliches Geld nur durch Kredite in Umlauf kam und das Geld für die Zinsen immer
wieder durch neue Kredite erzeugt werden muss, müssen auch immer neue Werte zur
Deckung dieser Kredite geschaffen werden. Die Wirtschaft muss also stets mindestens so
schnell wachsen wie die Zinslast. Wenn die Wirtschaftsleistung einmal ein Jahr lang „nur“
gleich bleibt, müsste es den Menschen doch eigentlich gleich gut gehen wie vorher. Aber
wegen der Zinsen brauchen wir Wachstum „koste es was es wolle“, meinen zumindest die
Politiker und Medien.

Wirtschaftswachstum erzeugt eigentlich Wohlstand. Der kommt aber bei den
Leistungsträgern nur dann an, wenn die Wachstumsrate größer ist als der Zinssatz, denn
zuerst wird der neu geschaffene Wohlstand durch die Netto-Zinsempfänger abgeschöpft,
und nur was dann noch übrig bleibt, verbessert die Lebensbedingungen der Zinssklaven.
Abgesehen von dieser Gerechtigkeitsfrage gibt es aber auch einen mathematischen
Systemfehler: Der Zinseszinseffekt bewirkt ein exponentielles Wachstum der Geld- und
Schuldenmenge. Die Zinslast strebt also mit steigender Geschwindigkeit gegen Unendlich.
Die Wirtschaft kann zwar eine Weile lang versuchen, exponentiell zu wachsen, um immer
mehr Sicherheiten für die Deckung des immer schneller wachsenden Schuldenberges zu
produzieren, aber auf Dauer ist das unmöglich.

Bei einem jährlichen Wirtschaftswachstum von
beispielsweise 2,8 Prozent verdoppelt sich die
Wirtschaftsleistung (BIP) alle 25 Jahre. Demnach
müsste man in nur 150 Jahren bereits das 64-fache
der heutigen Gütermenge produzieren – und in nur
300 Jahren schon mehr als das 4.000-fache. Die
verheerenden Folgen dieser Exponentialfunktion
kommen jedoch bereits nach ca. 75 Jahren deutlich
zum Vorschein. Der Kondratieff-Zyklus besagt, dass
spätestens dann die Wirtschaft nicht mehr so
schnell wachsen kann wie die exponentiell
wachsende Zinslast.

Nichts in der Natur kann permanent exponentiell wachsen. Ein Krebsgeschwür wächst
exponentiell, aber nur bis der Körper stirbt. Wirtschaftswachstum ist vergleichbar mit dem
Versuch des Körpers, schneller zu wachsen als ein Krebsgeschwür, um dessen
prozentualen Anteil am Gesamtkörper möglichst klein zu halten.
Dass dies jedoch auf Dauer unmöglich ist, hat selbst John Maynard Keynes (1883 - 1946,
einer der wichtigsten Protagonisten unseres Wirtschaftssystems) eingestanden. Er wollte
sich damit aber nicht auseinandersetzen. Seine Antwort lautete: „In the long run we are all
dead.“ – Nach uns die Sintflut!

Die Folge ist die totale Zerstörung der geschaffenen Werte alle zwei bis drei Generationen.
Verschrottung und Neubau von intakten Autos mittels „Abwrackprämie“ stellt hier nur
einen harmlosen Anfang dar. Es ist leider aus mathematischer Sicht notwendig, noch sehr
viel mehr zu zerstören, um dieses Finanz- und Wirtschaftssystem zu erhalten.

Wirtschaftswunder gibt es nur nach großen Kriegen. Nach der sinnlosen Zerstörung kommt
der sinnlose Wiederaufbau. Der nächste Krieg ist vorprogrammiert. Ist all das nötig, nur um
unser krankes Finanz- und Wirtschaftssystem zu erhalten? Permanente Vollbeschäftigung
ist unmöglich und eigentlich auch nicht nötig. Nur unser willkürlich gestaltetes Finanz- und
Wirtschaftssystem zwingt uns dazu. Die Geschichte wiederholt sich – zumindest solange
man an diesem System festhält.

Das herrschende Finanzsystem ist so makaber: Es verträgt keine Schaffung bleibender
Werte. Unzählige Patente wurden und werden von etablierten Eliten aufgekauft, nur um
ihre Realisierung zu verhindern und sich so die alten Monopole zu sichern. Wenn man zum
Beispiel ein Heilmittel gegen lukrative Krankheiten entdeckt hätte oder einen effizienten
Energiespeicher, müsste das geheimgehalten werden. Ansonsten würde so viel Arbeit
unnötig werden und das Sozialprodukt so stark schrumpfen, dass das System noch früher
zusammenbrechen würde.



Quelle: "Steuerboykott, Rico Albrecht"

Wissensmanufaktur